Mittwoch, 04.06.2014

Seit der Freilassung ist eine Woche vergangen. Gute Freunde sind unsere beiden Schützlinge (noch) nicht geworden. Es gibt kein trautes Beisammensitzen, aber auch keine ernsthaften Auseinandersetzungen mit Schnabelhieben und Festkrallen. Noel-Leya und Schils haben sich miteinander arrangiert - wie die meisten ihrer Vorgänger. Beim Streit um ein Futterstück oder einen bevorzugten Sitzplatz reicht meistens ein wenig Drohverhalten wie Gefieder-Sträuben oder den Schnabel aufreissen.

Die aktuelle Situation in der Auswilderungsnische entspricht eigentlich nicht den natürlichen Bedingungen. Bei den Wildbruten wird jeweils nur ein Kücken pro Saison gross gezogen. Es wird zwar als biologische Reserve ein zweites Ei gelegt. Aber das erstgeschlüpfte, grössere Jungtier hindert das Zweitgeborene am Fressen. Als Folge verliert dieses schnell an Gewicht und geht schliesslich ein oder wird durch die Schnabelhiebe des Älteren getötet. Dieses Verhalten wird Kainismus genannt und kommt auch bei anderen Greifvögeln vor.

Trotzdem hat sich in unserem Projekt die Strategie, zwei Tiere gleichzeitig auszuwildern, über all die Jahre sehr bewährt. Der Vorteil ist, dass die nun elternlosen Junggeier Sozialkontakt zu einem Artgenossen haben. Und es erlaubt uns, gleich zwei Bartgeier pro Jahr in die Freiheit zu entlassen.

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